
K O N T A K T
Von der objektiven zur non-dualen Erkenntnis

Gesamte Inhalte:
© Dr. Christoph Paul Stock
VON DEN ZAGHAFTEN ANFÄNGEN ZUR GELUNGENEN AKTION UND INTERAKTION
Den kreativen Wurf in die Umsetzung bringen
Selbst Essen und Trinken wollen gelernt sein. Ein Neugeborenes bringt zwar einige instinktive Verhaltensweisen mit, die eine Aufnahme der Nahrung erleichtern. Dennoch geht gerade am Anfang so manches daneben und landet nicht in jener „Luke“, die für die Nahrungsaufnahme vorgesehen ist. Da kann sich schon einmal Frust, Ärger und Ungeduld einstellen, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie laufen sollen.
Nicht anders ergeht es dem spirituellen Kind, wenn es versucht, das Neue ins Leben zu bringen. So mancher Ansatz scheitert, wird auf halben Weg abgebrochen, verschwindet wieder in der Schublade oder muss auf später verschoben werden, weil noch andere Voraussetzungen geschaffen werden müssen, die das Hauptanliegen möglich machen. Kein Meister ist vom Himmel gefallen. Das gilt nicht nur für die Lern- und Lehrjahre, das gilt auch für die Neuschöpfung und Kreation.
Es scheint sogar so zu sein, dass gerade jene Menschen als die kreativsten Köpfe gelten können, die nicht nur eine zündende Idee, einen genialen Anfang, einen ersten großen Wurf gebären, sondern jene, die bei den ersten Schwierigkeiten nicht gleich aufgeben, dann wenn es wirklich eng wird, weitermachen und sich durch eine besondere Beharrlichkeit auszeichnen. Ihnen ist nicht der Erfolg primär wichtig. Für sie steht das kreative Schaffen im Mittelpunkt. Nicht das endgültige Produkt und das abschließende Ziel zählt, sondern der Weg dorthin ist entscheidend. Das Tüfteln, Probieren, Tasten und Suchen machen die Kreativität aus. In diesem Prozess kommt man schon einmal an ein Ende, braucht nicht nur einen, sondern viele Anläufe, biegt einmal rechts ab, nur um herauszufinden, dass es doch link weitergegangen wäre. So mancher Entwurf muss wieder zertrümmert und so mancher Anlauf wiederholt werden.
Zusätzlich geht es oft nicht nur darum, selbst einen Weg zu finden, sondern auch darum, von den Dingen gefunden zu werden. Es braucht die richtigen Umstände, den richtigen Zeitpunkt und die richtigen Personen. Das alles lässt sich nicht so leicht finden und arrangieren. Man muss auf sich und das eigene Anliegen aufmerksam machen, um auch gefunden zu werden. Man muss Geduld haben und den richtigen Zeitpunkt erkennen können. Man muss auf den Rhythmus vertrauen, der in den Dingen liegt.
Darüber hinaus ist die Welt den neuen kreativen Dingen gegenüber oft nicht aufgeschlossen. Die einen wollen einen manipulieren und zu einem anderen Kurs und in eine andere Richtung lenken. Andere versuchen das Anliegen zu boykottieren, tun das aber oft nicht offen und augenscheinlich, sondern verbergen ihre wahren Motive hinter wohlwollenden Gesten. Nicht selten kommt es vor, dass der kreative Entwurf frontal angegriffen und schlicht abgelehnt und vertrieben wird. Aller Anfang ist schwer und das Neue hat es in der Welt nicht leicht. So kann sich rasch auch Ohnmacht, Frustration und Enttäuschung einstellen.
Manche kreativen Ideen sind ihrer Zeit so weit voraus, dass sie einfach von den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen nicht verstanden und in ihrer Bedeutung wahrgenommen werden. So manche geniale Erfinderin bzw. genialer Erfinder hat das eigene Vermögen in die neuen Ideen gesteckt und ist verarmt verstorben, obwohl heute vielleicht ein Vermögen mit dem kreativen Resultat verdient werden könnte. Viele sind prägende Personen für eine spätere Zeit, die sie selbst gar nicht mehr erleben. Hier möchte ich noch einmal an Ferdinand Magellan erinnern, der einen Weg über den Atlantik durch Südamerika hindurch in den Pazifik nach Fernost gefunden hat. Er machte es möglich, die Welt zu umsegeln. Er gehört zu jenen großen Menschen der Geschichte, die den Weg für unsere globalen Handelswege geebnet haben. Ob ihm das selbst bewusst war, weiß ich nicht. Er hat aber vor 500 Jahren etwas ins Leben gebracht, dass heute mehr Bedeutung hat als je zuvor.
Schließlich zählt nicht nur der große Wurf und die besonders wirkmächtige Kreativität. Oft sind es die kleinen Innovationen, die im Verborgenen entstehen und das Leben von Menschen glücklicher und erfüllter machen. Jede positive persönliche und individuelle Entwicklung, die Menschen gelingt, hilft, um ihr eigenes Leben, das Leben der ihnen nahestehenden Menschen und das Leben in unserer Welt überhaupt besser und lebenswerter zu machen. Jede Versuchung, der widerstanden werden kann, jede Überwindung des eigenen Schattens, die passiert, ist ein kreativer Wurf, dessen Bedeutung niemals unterschätzt werden darf. Damit stärken wir die Balance in unserer Welt und kümmern uns um den Weiterbestand all dessen, was uns wichtig und lieb ist. Es ist nicht nur der einzelne Baum, der im Wald geschlagen wird, um gewinnbringend genutzt zu werden, der von großer Bedeutung ist. Die wahre Bedeutung liegt im leisen Wachstum aller Bäume, Pflanzen und Tiere im Wald. Ein Wachstum, das man nicht hört, das niemanden wirklich unmittelbar auffällt, das aber entscheidend ist für unser aller Überleben.
Sollen wir uns von all diesen Herausforderungen, Hindernissen und Hürden abschrecken lassen, wirklich kreativ zu sein. Wenn wir nur auf die Lorbeeren und den Erfolg in dieser Welt aus sind und uns ausschließlich das fertige Produkt interessiert, dann kann das tatsächlich zu einem Hindernis werden. Wenn es uns aber darum geht, uns selbst unter Nutzung unserer Fähigkeiten und unserer Lebenserfahrung zum Ausdruck zu bringen, dann kann uns die Kreativität ganz unabhängig davon, ob und wie erfolgreich wir mit ihr sind, eine Erfüllung schenken, die jenseits von Geld, Macht und Ansehen liegt. Doch verstehen sie mich nicht falsch. Natürlich besteht immer auch die Chance, dass der kreative Wurf ein großer Erfolg wird. Aber garantieren kann man so etwas nicht und man kann auch nicht garantieren, dass jemand mit diesem Erfolg umgehen wird können.